Das Waldklassenzimmer: Idee, Hintergrund und Umsetzung

 

"... OH WALD, TIEF UND GROSS

WAS IST IN DIR HEUTE LOS?"

 

Wer die Kinder ihr "Waldlied" singen hört, mit dem sie den Wald begrüßen und ihren Unterricht im Waldklassenzimmer beginnen, spürt alles auf einmal: die Neugier auf die Natur, den Respekt vor dem wilden Abenteuer-Ort und die Freude daran, draußen zu sein. Die Schülerinnen und Schüler kommen mit allen Sinnen an, atmen die frische Luft ein, lauschen der Stille oder ungewohnten Geräuschen und verwurzeln sich fest mit beiden Beinen auf der Erde - so wie ihre Baumfreunde.
Von Anfang an ist klar: Hier wird anders gelernt, ganzheitlicher, bewusster, freier - mit Kopf, Herz und Hand, in ungewohnter Umgebung, mit einem anderen Lerngefühl und neuen Konzepten. Nicht zuletzt bestärkt das Draußenlernen den verantwortungsbewussten und achtsamen Umgang mit der Natur - für eine zertifizierte Umweltschule ein wichtiger Aspekt.

 

WIE ALLES BEGANN

 

 

Katrhin Willmitzer, Pädagogin am Sonderpädagogischen Förderzentrum in Altdorf, war es, die mit der Idee eines Waldklassenzimmers auf die Grundschule zukam, in die zwei ihrer drei Kinder gehen. Dort fand sie schnell begeisterte Mitstreiterinnen unter den Lehrkräften: Vor allem Petra Spieß, Anja Reinhardt und Lisa Ohneberg machten sich fortan für die Idee stark, sammelten Infos und Ideen, besuchten Fortbildungen und hospitierten unter anderem an der Grundschule in Feucht, die über zwei Waldklassenzimmer verfügt.

Das Sonderpädagogische Förderzentrum und die Grundschule taten sich schließlich als Projektpartner zusammen und stellten mit der Stadt Altdorf einen Antrag auf Fördermittel aus dem Bildungsfonds des Landkreises Nürnberger Land - mit Erfolg: Von den rund 17.000 Euro Gesamtkosten werden etwa 90 Prozent gefördert, und der stellvertretende Landrat Robert Ilg zeigte bei der Eröffnung des Waldklassenzimmers seine Begeisterung für dieses "ganz analoge Projekt", in dem das Geld hervorragend angelegt sei: "Es ist toll zu sehen, wie ihr euch so offensichtlich wohlfühlt - und wir eher stören."

Zwei weitere Draußen-Lernorte sind im Westen von Altdorf für das Förderzentrum, die Mittelschule und das Gymnasium entstanden.

 

 

WAS MACHEN WIR, WENN'S REGNET?

KLAUT JEMAND UNSERE BÄNKE?

UND WO GEHEN WIR AUFS KLO?

 

 

Bis zur Eröffnung des Waldklassenzimmers waren jenseits der Finanzierung viele Fragen zu klären und Hürden zu nehmen. Zusammen mit Konrad Oswald von der Stadt Altdorf wurde ein passender Platz gesucht - nah genug an der Schule, dass die Kinder ihn gut zu Fuß erreichen, und dennoch tief genug im Waldinnern für das richtige "Waldgefühl", dazu mit einer großen, ebenen Fläche, auf der im Klassenverbund gearbeitet werden.

Dann ging es weiter mit der Ausstattung - welche Möbel sind sinnvoll, wie lassen sie sich verstauen, so dass niemand etwas entwendet und dennoch im Handumdrehen ein Unterrichtsraum aufgebaut ist?

 

Schnell war auch klar, es braucht eine große Plane als Regen- und Sonnenschutz für die Kinder - wo und wie lässt sie sich befestigen und aufspannen? Am Ende drehten die drei Lehrerinnen vom Waldklassenteam ein Anleitungsvideo für ihre Kolleginnen, schließlich soll der neue Lernraum allen zur Verfügung stehen und ohne große Hindernisse genutzt werden können.

 

Auch für die Komposttoilette, die die Schülerinnen und Schüler während der Stunden im Wald nutzen können, gibt es mittlerweile eine kindgerechte Anleitung - und ein Video, das erläutert, wie so eine nachhaltige Toilette überhaupt funktioniert. Wenn sie möchten, können die Klassen sogar ihre eigene, umweltfreundliche Seife aus Kastanien herstellen und für das Händewasche im Wald mitnehmen. Alle anderen wichtigen Dinge sind mittlerweile im großen Bollerwagen verstaut, den die Schule für das Klassenzimmer angeschafft und befüllt hat. Über einen internen Kalender sprechen sich die Lehrkräfte ab und regeln, wer wann mit wie vielen Kindern in den Wald gehen möchte und ob noch eine Begleitperson zum Plane-Spannen benötigt wird - der organisatorische Aufwand hinter dem Draußenlernen ist nicht zu unterschätzen, lohnt sich aber, da sind sich alle Beteiligten einig.

 

FEST VERWURZELT,

GUT BEHÜTET UND BESCHÜTZT

 

 

Auch die beiden Pfarrer Dominik Pillmayer und Bernd Popp waren bei der feierlichen Eröffnung des Waldklassenzimmers dabei, spendeten Gottes Segen für gutes Gelingen, einen fröhlichen Lernort und eine unfallfreie Heimkehr - und hatten einen kleinen Hilfekasten in Form eines Vogelhäuschens für die Kinder dabei: Er enthält aus Holz geschnitzt die drei Symbole Kreuz, Herz und Anker für Glaube, Liebe, Hoffnung und wurde gemeinsam an einem Baum in der Nähe aufgehängt. Der Anker soll nicht nur Hoffnung, sondern auch Halt vermitteln, das Herz steht für den guten Umgang miteinander und das Kreuz für Gottes Nähe und Schutz - ganz greifbar und immer zur Hand, wie ein Erste-Hilfe-Kasten.

 

 

GEMEINSAM, ACHTSAM, AUFMERKSAM

 

"Die Bäume freuen sich, dass wir da sind", sagt Lehrerin Petra Spieß bei einem ihrer ersten Besuche im Waldklassenzimmer zu den Erstklässlern um sie herum. Damit das so bleibt, machen sich alle Kinder zunächst mit den selbst aufgestellten Waldregeln vertraut. Der Unterricht vermittelt nicht nur die eigentlichen Lerninhalte - mehr dazu hier - sondern auch Respekt vor der Natur und einen schonenden Umgang mit Ressourcen, ebenso wie ein gelingendes Miteinander in der Gruppe.